Interview | Architekt Hooman Balazadeh über die Zukunft des Ziegels
Ziegelbauten haben in Iran eine lange Tradition. Zahlreiche iranische Architekten führen diese Tradition weiter und kreieren mit dem Ziegel neue, moderne Formen und Bauweisen. Einer von ihnen ist Hooman Balazadeh, der besonders die Einfachheit und Schöpfungskraft von Ziegel schätzt. Sein Architekturbüro Hooba Design gewann mit dem Kohan Ceram Central Office den Fritz-Höger-Preis 2020 für Backstein-Architektur. Im Interview mit Bauen mit Ziegel berichtet er, wer ihn inspiriert und was er mit seiner Arbeit erreichen möchte.


(English Version below)
Bauen mit Ziegel (BMZ): Was hat Ihr Interesse an Architektur geweckt?
Hooman Balazadeh (HB): Seit meiner Jugend hatte ich die Möglichkeit, verschiedene Arten von Kunst zu erleben und mich zu fragen, wie ich Kunst von ihrem abstrakten Zustand in ein funktionales Konzept umwandeln kann. Das hat mich dazu motiviert, Architektur als Beruf zu ergreifen.
BMZ: Gibt es Vorbilder für Sie?
HB: Ich kann keine Person als Vorbild nennen, weil ich denke, dass dies eine Art von Heldentum ist, die die Verfehlungen Einzelner in anderen Bereichen ignoriert. Es gibt Menschen, die mich auf unterschiedliche Weise beeinflusst haben. Ich kann zum Beispiel Abbas Kiarostami1 nennen, der der Welt das Leben der Iraner vorstellte, oder Bahram Shirdel2, der das Wissen über moderne Architektur in den Iran brachte und ihr gleichzeitig eine persönliche Note verlieh, um sich selbst auszudrücken, oder jemanden wie Iran Darroudi3. Mit anderen Worten: Ich glaube, dass diejenigen, die Wissen in einem bestimmten Bereich auf eine persönliche Art und Weise einen Schritt weiterbringen und es in verschiedenen Aspekten weiterentwickeln, mich inspiriert haben, Grenzen zu verschieben.
BMZ: Was möchte Hooba Design mit seiner Architektur erreichen?
HB: Bei unserer Arbeit geht es mehr darum, unentdeckte Potenziale zu erschließen, als einen bestimmten Weg einzuschlagen. Unser Ziel ist es, die volkstümlichen architektonischen Traditionen im Einklang mit den Bedürfnissen der heutigen Welt weiterzuentwickeln und auf sie zu reagieren. Im Bewusstsein der unbestreitbaren zeitgenössischen Bedeutung von Umweltfragen haben wir uns zum Ziel gesetzt, regionales Wissen zusammenzutragen, das für verschiedene Aspekte – wie Nachhaltigkeit – besonders geeignet ist. Dieses Wissen möchten wir zu einem Modell weiterentwickeln, das in der jeweiligen Region und darüber hinaus eingesetzt werden kann. So können wir neue Antworten auf eine Reihe von Fragestellungen ökologischer, geografischer, klimatischer, sozialer oder kultureller Dimension geben. Wir sehen unseren Weg in einem Raum zwischen Dualitäten, deren Bedeutungsgrad immer von verschiedenen Faktoren abhängt. Wenn wir zum Beispiel Peter Eisenman und Peter Zumthor4 an den beiden Enden des Spektrums betrachten, befinden wir uns zwischen der Bedeutung der menschlichen Wahrnehmung und der Bedeutung der Architektur für die Architektur.
BMZ: Welchen Stellenwert hat der Ziegel in der iranischen Tradition?
HB: Der Ziegelstein als Material hat eine große Rolle bei der Errichtung von historischen Denkmälern auf Stadtebene sowie von Häusern der iranischen Kultur gespielt, je nach den Anforderungen des jeweiligen Kontextes und der klimatischen Bedingungen. Er dient gleichzeitig als Mauerwerk und zur Verkleidung von monolithischen Gebäuden und Strukturen. Der Ziegelstein besteht aus einem einzigen Material, das Böden, Wände und Decken bildet und verbindet, was zu homogenen Städten als Ganzes führt.


1 Abbas Kiarostami (*1940 †2016) war ein iranischer Drehbuchautor und Regisseur.
2 Bahram Shirdel (*1951) ist ein iranischer Architekt.
3 Iran Darroudi (*1936 †2021) war eine iranische Künstlerin.
4 Peter Eisenman (*1932) ist ein US-amerikanischer und Peter Zumthor (*1943) ein Schweizer Architekt.
BMZ: Was ist aus Ihrer Sicht die wichtigste Eigenschaft des Ziegels?
HB: Unserer Meinung nach besteht eine der wichtigsten Eigenschaften des Ziegels darin, dass er aus dem einfachsten und zugänglichsten Material besteht, nämlich aus Erde, und dass er zu einem tragbaren Modul geformt werden kann, das dessen Qualitäten ausweitet. Diese Eigenschaft ermöglicht uns, das Modul neu zu definieren und so neue Qualitäten zu erzeugen.
BMZ: Wie sehen Sie den Ziegel in der Zukunft der Architektur?
HB: Aufgrund seiner optimalen Leistung unter klimatischen Bedingungen, die eine hohe Wärmebeständigkeit erfordern, seiner Wiederverwertbarkeit und Langlebigkeit kann der Ziegelstein in der Zukunft der Architektur eine bemerkenswerte Rolle spielen. Um dies zu erreichen, sollten die Eigenschaften des Ziegels durch die Kombination mit Technologien weiterentwickelt werden, um den aktuellen Anforderungen gerecht zu werden. So erfordert beispielsweise die Massenproduktion von Ziegeln aus nachhaltiger Sicht einen zu hohen Energieverbrauch und zu viel Wärme zum Brennen des Rohtons. Hierfür ist nicht nur eine Neudefinition der Merkmale und Eigenschaften des Ziegels von entscheidender Bedeutung, sondern wir sollten auch den Produktionsprozess überdenken.
BMZ: Haben Sie ein Lieblingsgebäude?
HB: Mein Lieblingsgebäude ist die Basilika La Sagrada Família von Antonio Gaudí. Diese Basilika ist eine Art Improvisation eines Fachmannes, die in ein Gebäude integriert wurde und die ihrem Publikum jederzeit eine Art von immerwährender Freude bereiten kann.
What made you interested in architecture?
Hooman Balazadeh (HB): Since I was a teenager, I had the chance to experience different kinds of art and question how I could turn art from its abstract state into a functional concept, which motivated me to enter architecture as a profession.
Do you have any role models?
HB: I can't name a person as a role model because I think it is a sort of heroism that ignores the individual's violations in some areas. People have been influential to me in different ways. For instance, I can name a person like Abbas Kiarostami, who introduced the ongoing lives of Iranians to the world, and Bahram Shirdel, who brought the knowledge of modern architecture to Iran while personalizing it to express himself, and someone like Iran Darroudi. In other words, I believe that those who take knowledge in a specific field one step further in a personalized way and develop it in different aspects raise the question of the importance of this development has been inspirational to me to push the boundaries.
What would you like to achieve with your architecture?
HB: Our work is more about achieving undiscovered potentials than about taking one path. As we find our goal to advance and responsively develop vernacular architectural traditions aligned to the needs of the present world. Being aware of the undeniable importance of environmental issues in the contemporary process, we set our goals toward developing vernacular knowledge of each region as we found it responsive to different aspects, including sustainability, and turning it into an expandable model for its context and beyond. It can provide a new answer to various dimensions such as environmental, geographical, climatic and social, and cultural trends. We consider our path in a space between dualities whose degree of importance of the various layers changes due to the unique factors. For instance, if we consider Peter Eisenman and Peter Zumthor at both ends of the spectrum, we find ourselves in-between considering the importance of human perception and the importance of architecture for architecture.
What is the place of brick in Iranian culture?
HB: Brick as a material has played a great role in the formation of city-scale historical monuments alongside houses of the Iranian culture, based on the requirements of the contexts, and the climatic conditions. It works as masonry and finishing of monolithic buildings and structures at the same time. Brick is a single material forming and connecting floors, walls, and ceilings, leading to homogenous cities as a whole.
In your opinion, what is the main quality of brick?
HB: In our opinion, one of the essences and main characteristics of brick is that it is made of the most primitive and most accessible material, which is soil, and it can be formed into a portable module that expands its qualities to a whole. This attribute enables us to add and bring new features by redefining the module to cause new qualities. How do you see the brick in the future of architecture? HB: Brick due to its optimal performance in climatic conditions, which require a high thermal resistance, while being recyclable and long-lasting can play a noteworthy role in the future of architecture. To do so the features of the brick should be taken steps further by combining with technology to respond to the current requirements. For instance, the process of mass production of the brick due to the importance of sustainability requires too much energy consumption and heat to bake the raw clay. To do so, not only redefining the features and the characteristics of the brick is vital but also, we should reconsider the production process as well.
What is your favorite building?
HB: My favorite building is La Sagrada Família Basilica by Antonio Gaudí. This basilica is a kind of improvisation formed by a professional integrated into a building that has been able to bring a sort of everlasting joy to its audience at all times.